Pavillon Helikopter

PAVILLON HELICOPTER 2003

Standort: 1230 Wien, Erholungsgebiet Kellerberg, Im Auftrag des und in Zusammenarbeit mit dem Wiener Forstamt.

Im selben Projekt entstand auch die Skulptur GOING OUTA SPACE
Das weltweit erste Bauwerk das zur Gänze aus gekrümmten Baumstämmen gebaut wurde. Die Modellherstellung erfolgte noch vollständig manuell, und nimmt die digitale Stammvermessung (2009 realisiert) vorweg.

Architekturhistorische Reflexion über den Pavillon Helicopter von Reiner Zettl, Assistent Wolf D. Prix, Hochschule für Angewandte Kunst:

Es gab sowohl in den plastischen Künsten als auch in der Architektur hochentwickelter und verfeinerter Perioden der europäischen Kultur immer wieder die Tendenz zu einer sehr direkten Hinwendung zur Natur. Sei es, um die Basis wiederzufinden für einen Neustart oder aber, weil der in der Natur zu findende Formenreichtum grenzenlos schien. Sowohl die späte, sogenannte „Astwerkgotik“ Anfang des 16. Jahrhunderts, oder die Wunderkammern des Manierismus gaben zu erkennen, dass die Natur menschlicher Erfindungskraft überlegen war. Dagegen handelt es sich bei der idealen Rekonstruktion der „Urhütte“, also der ersten Architektur, durch den Abbé Laugier Mitte des 18.Jahrhunderts um einen Versuch, zu den Wurzeln des Bauens zurückzukehren. Aus unbehandelten Baumstämmen zusammengefügt, sollte in der natürlichen Logik der Verwendung des vorhandenen Materials der Willkür des Rokoko begegnet werden. Die Regeln für die architektonische Schönheit, so war die Überzeugung, konnten nur in der unverfälschten Wahrheit der Natur gefunden werden.Natur, grob vereinfacht, wird also einmal verstanden als das grundlegende Prinzip unserer Welt schlechthin: Natur als Selbstorganisation jenseits unserer Einflussnahme ist ungeteilt und kennt kein wahr oder falsch und wir müssen immer wieder zu dem Punkt zurückkehren, an dem wir aus ihr heraustraten, aber noch Teil von ihr waren, als die „Schönen Wilden“, wie man das damals nannte. Nur so konnte der Kurs der Kultur und Zivilisation korrigiert werden, wenn das Misstrauen in die eigene Wertehierarchie wieder einmal zu gross geworden war. Der Jugendstil Ende des 19. Jahrhunderts wäre ein weiteres Beispiel für diese Sehnsucht nach dem Ursprung.

Natur kann aber auch als verschwenderischer Überfluss verstanden werden. Ein unausschöpfbares Reservoir an Formen, das zu Entdeckungsreisen und Expeditionen herausforderte. Alles was die menschliche Phantasie erdenken kann, ist hier, wie in einem Gesamtkatalog des Möglichen, zu finden.

Die Massen-Sonderanfertigung ist der heute am meisten bemühte Begriff für die Erwartungen den neuen Verfahren industrieller Produktion gegenüber. Zwar ist damit eine weiterhin serielle Erzeugung von Dingen gemeint, aber jedes Element einer Reihe ist so variiert, dass dem Individuationsbestreben des einzelnen Konsumenten Genüge getan wird. Die Gegenwart mit ihren ganz spezifischen Methoden und Anschauungen bietet uns die Möglichkeit, den Blick auch auf das Vertraute zu verändern. Und so können wir sagen, was ist ein Baum anderes, als ebenso ein Teil einer Serie, deren Elemente je verschieden sind. Als Repräsentant einer Art erkennbar, verfügt er über eine Vielzahl vor allem formaler Eigenheiten, die ihn speziell machen. Er ist nicht individuell auf uns zugeschnitten, sondern auf die Bedingungen seines Standortes, aber vielleicht können wir uns diese Vielfalt zunutze machen und sanft eingreifend steuern.

Der Helicopter Pavillon demonstriert all diese Gedanken. Er stellt eine erstaunliche Verbindung her zwischen den neuen, computergenerierten Geometrien und gewachsenen Formen. Es ist ja gerade ein Wesensmerkmal dieser neuen Geometrien, dass dort Kräfte und Prozesse die Figuren erzeugen und damit eine strukturelle Analogie zu natürlichem Wachstum aufweisen. Jenseits einer sentimentalen Überladung des Materials wird hier im Pavillon paradigmatisch eine architektonische Skulptur auf der Höhe der Zeit vorgeführt: Das Dach scheint aus der Sequenz der Bewegungsphasen eines Elementes um das zentrale Dreibein entwickelt. Und dieses Element ist nicht gemacht, sondern aus der Natur genommen.

Wir sind also eingeladen, darüber nachzudenken, was auf diese Weise noch alles möglich ist.